29. Tourismustag in Warnemünde

Warnemünde – „Digitale Daten als Währung – ist alles umsonst oder nur kostenlos?“ – so lautet der Titel des 29. Tourismustages, zu dem heute mehr als 250 Branchenvertreter im Hotel Neptun in Rostock-Warnemünde erwartet werden. Im Mittelpunkt steht das Thema Digitalisierung, sprich der Ausbau der dafür notwendigen Infrastruktur, der Umgang mit Informationen, Daten und Datenflüssen sowie die daraus resultierenden Aufgaben, Chancen und auch Risiken für touristische Organisationen.

Dazu Dr. Stefan Rudolph, Staatssekretär im Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit Mecklenburg-Vorpommern: „Die 30 Jahre Tourismusentwicklung in Mecklenburg-Vorpommern sind eine Erfolgsgeschichte. Ich danke allen Aktiven von Herzen. Aktuell stehen wir vor wichtigen Weichenstellungen. Hierzu brauchen wir eine zukunftsorientierte Aufbruchstimmung und Mut. Dabei wird es darauf ankommen, bewusst am gleichen Strang und in die gleiche Richtung zu ziehen. Wenn Emotionen, Entsachlichung und Intransparenz ein erforderliches Bündeln von Ideen und Kräften zumindest erschweren, dann wird wertvolle Zeit verloren. Das ist nicht hinnehmbar. Unsere Tourismusbranche wird durch Dritte mit wachen Augen beobachtet. Darüber müssen wir uns im Klaren sein. Unser gemeinsamer Erfolg wird vom Miteinander und konstruktiven Handeln aller Akteure abhängen. Denkverbote verbieten sich.“

Wolfgang Waldmüller, Präsident des Tourismusverbandes Mecklenburg-Vorpommern, fügte mit Blick auf die Gesamtsituation hinzu: „30 Jahre nach dem Mauerfall steht der Tourismus in Mecklenburg-Vorpommern erneut vor einer Zeitenwende. Die Zeiten des scheinbar mühelosen und automatischen Wachstums in MV sind vorüber. Wir brauchen einen neuen Aufbruch. Dabei könnte, wenn wir es gut machen, unsere Zeit gerade jetzt kommen“, so Waldmüller weiter. „Die Orientierung der Menschen auf das Naturnahe, das Nachhaltige, das Nahe können wir besser bedienen als andere. Und wenn es absehbar gelingen sollte, das Flächenland mit schnellem und stabilem Netz zu versorgen sowie stärker in die digitalen Prozesse und in die Gedankenwelten junger Menschen einzusteigen, kann Mecklenburg-Vorpommern eine Verbundstrategie verfolgen – und wie kaum eine andere Region zugleich den natürlichen und den digitalen Freiraum anbieten, der bis in die Metropolen Hamburg und Berlin und darüber hinaus strahlt.“

Um den digitalen Anforderungen gerecht zu werden, haben sich die Kräfte im Deutschland-Tourismus vereint: Alle 16 Bundesländer erarbeiten gemeinsam mit der Deutschen Zentrale für Tourismus, die für das Auslandsmarketing zuständig ist, eine so genannte Open-Data-Strategie. Mit dieser soll ein gemeinsames Datenmanagement über alle touristischen Ebenen hinweg möglich werden, sodass beispielsweise die Daten von Sehenswürdigkeiten oder Veranstaltungen in ganz Deutschland standardisiert erhoben und weltweit in unterschiedlichsten Kanälen ausgespielt und sichtbar werden können. Petra Hedorfer, Vorsitzende des Vorstandes der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT), erläuterte in ihrem Statement: „Wichtige Wettbewerber für Deutschland als internationale Reiseziele, beispielsweise Österreich, Italien oder Frankreich, haben die Chancen von Open Data ebenfalls erkannt und bereits Graph-Lösungen entwickelt. Es geht deshalb um nicht mehr und nicht weniger, als den Tourismusstandort Deutschland auch im internationalen Wettbewerb langfristig zu sichern, die Markenpräsenz des Reiselandes Deutschland zu erhöhen und die Regionen durch eine Stärkung ihrer regionalen Präsenz zu fördern.“

„Zukunftsfähig werden wir auch in der Tourismusbranche unter anderem nur dann sein, wenn wir uns der Risiken und Chancen von mehr Digitalisierung bewusst sind. Meiner Meinung nach überwiegen hierbei die Chancen. Doch ohne die notwendige digitale Infrastruktur werden wir den Wettbewerb mit anderen Destinationen nicht gewinnen können. Entscheidend für die Branche ist, zukünftig die Digitalität stets mitzudenken. Hier geht es um die Verbindung zwischen Technik und Mensch bei gleichzeitiger Wahrung der Balance zwischen analoger und digitaler Welt. Erste Maßnahmen greifen bereits. Es ist geplant, landesweit WLAN-Hot-Spots an 234 touristischen Standorten zu installieren; die Ausschreibungsfrist endet am 29.11.2019. Ein weiterer Fortschritt ist der elektronische Meldeschein. Anders als bislang auf Papier notwendig kann der Gast künftig seine Unterschrift auf einem Pad leisten. Dies spart Ressourcen und Verwaltungsaufwand. Mecklenburg-Vorpommern gilt hier bundesweit als Vorreiter. Insgesamt brauchen wir mehr online buchbare Produkte und Dienstleistungen als bisher“, sagte Rudolph.

Des Weiteren wird auf dem Tourismustag ein Jahr nach dem Erscheinen der Landestourismuskonzeption, die die Aufgabenfelder Nachhaltigkeit, Digitalisierung sowie Internationalisierung benennt und damit die Weichen für die zukünftige Entwicklung im Tourismus stellen soll, eine erste Bilanz gezogen. So ist im Zuge der Qualitäts- und Nachhaltigkeitsstrategie, die der Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern derzeit erarbeitet, um die Qualitätsentwicklung und -verbesserung touristischer Produkte in Mecklenburg-Vorpommern voranzutreiben, ein Strategiepapier erarbeitet worden. Dieses dient als Arbeitsgrundlage, aus der sich in den nächsten Monaten Einzelmaßnahmen für touristische Akteure sowie ein Qualitätsmanagement-Modell für das gesamte Land ableiten lassen sollen.

„Um es klar zu sagen, die Zeit der Beschreibungen von Problemen ist vorbei. Die Zeit der Modellregionen für die Lösungen der Probleme ist gekommen. So weit wie heute waren wir noch nie! Die Modellregionen müssen im ersten Halbjahr 2020 mit ihrer Arbeit beginnen können. Hierfür sind vertragliche Vereinbarungen der jeweils freiwillig beteiligten Gemeinden die Grundlage. Im Rahmen des Standarderprobungsgesetzes wird es beispielhaft darum gehen, die Modellregionen als jeweils einheitliches Erhebungsgebiet zu verstehen. Insbesondere sollen Lösungen modelliert werden für die gegenseitige Anerkennung der Kurabgabe, für die Entlastung sowohl von Angehörigen der Einwohner in prädikatisierten Orten als auch für die Entlastung der Einwohner der Kommunen, die für die prädikatisierten Orte Dienstleistungen erbringen (Dienstleistungskommune Tourismus), für neu zu prädikatisierende Orte (anerkannte Tourismusorte). Ebenso sollen Lösungen modelliert werden für eine gemeindeübergreifende Infrastrukturentwicklung und genauso für eine durch die Kurabgabe mitfinanzierte ortsübergreifende Mobilität (Bus und Bahn). Die in den verschiedenen Modellregionen gesammelten Erfahrungen sollen wegweisend für notwendige Gesetzesänderungen in der kommenden Legislatur sein“, hob Rudolph hervor.

„Nur mit qualitativ hochwertigen Angeboten können wir in Zukunft punkten. Ich freue mich zum Beispiel über den zweiten Platz, den das ‚100Haus‘ in Wolgast beim Deutschen Tourismuspreis belegen konnte. Es können gern noch mehr solcher Angebote über die Landesgrenzen hinausstrahlen“, sagte Wolfgang Waldmüller.

Zudem wird aktuell das Gesamtsystem touristischer Akteure in MV untersucht. An einer damit zusammenhängenden Befragung zur Erhebung der Strukturen auf der regionalen und der örtlichen Ebene haben sich 129 Organisationen und Institutionen, darunter alle touristischen Regional- und Fachverbände sowie alle Landkreise beteiligt. Danach stellt sich die Situation im Land wie erwartet sehr heterogen dar. Es gibt große Unterschiede in der Verfügbarkeit von Budget, Personal, Grundlagen und strategischen Ansätzen sowie Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Bis zum Frühjahr sollen Aussagen über die künftige Strukturierung und Zuordnung von Aufgaben getroffen werden und in einem so genannten Organisationsgutachten niedergeschrieben sein.

Neben der Organisation des Tourismus auf den Ebenen Land, Regionen und Orte geht es in den aktuellen Diskussionen auch um Fragen der Tourismusfinanzierung auf diesen. Dazu hat der Landestourismusverband unlängst ein Positionspapier mit 10 Punkten verabschiedet, dem inzwischen auch der Bäderverband MV gefolgt ist. Danach sollen alle vom Tourismus profitierenden Unternehmen und alle Gäste an der Tourismusfinanzierung beteiligt werden können. Zudem sollen alle touristischen Orte die Möglichkeit haben, ihre Aufwände für touristische Infrastruktur über Abgaben refinanzieren zu können. Einheimische sind von Kurabgaben zu befreien; der ÖPNV muss daran gekoppelt werden können.

Mecklenburg-Vorpommern auf internationalem Parkett: Nachdem Mecklenburg-Vorpommern in seiner Rolle als Partnerland der Internationalen Tourismusbörse Berlin 2018 internationale Bekanntheit erlangte und ein enormes Medienecho erzeugte, folgt im nächsten Jahr eine weitere Großveranstaltung im Nordosten: Vom 10. bis 12. Mai 2020 wird in Rostock und Schwerin der 46. Germany Travel Mart (GTM) ausgerichtet, der nach 2009 das zweite Mal in Mecklenburg-Vorpommern stattfindet und vom Landestourismusverband gemeinsam mit der Deutschen Zentrale für Tourismus organisiert wird. Dazu Petra Hedorfer: „Der GTM ist die wichtigste Vertriebsveranstaltung für den deutschen Incoming-Tourismus. Ich freue mich schon heute sehr darauf, dass das Team des TMV einen professionellen Rahmen schaffen wird, mit dem sich die deutsche Tourismuswirtschaft bei den mehr als 600 Key Accounts der internationalen Reiseindustrie, darunter mehr als 100 internationale Medienvertreter, in Hochform präsentieren kann.“

Die Branche in MV kann für das Tourismusjahr 2019 ein deutliches Plus verbuchen: Von Januar bis September 2019 wurden zwischen Ostsee und Seenplatte rund 6,8 Millionen Ankünfte (+5,8 Prozent) und 28,3 Millionen Übernachtungen (+10,1 Prozent) an das Statistische Landesamt gemeldet. Damit sind die ersten neun Monate sowohl in Bezug auf Ankünfte als auch Übernachtungen die stärksten in der Landesgeschichte. Dieses starke Wachstum ist vor allem auf die von August 2018 bis Mai 2019 durchgeführte Berichtskreisprüfung des Statistischen Amtes Mecklenburg-Vorpommern zurückzuführen, in deren Rahmen rund 500 bisher nicht erfasste Betriebe mit insgesamt 45.000 Betten, vor allem Ferienhäuser und -wohnungen sowie Pensionen, in die Statistik mit aufgenommen wurden. Im gesamten Bundesgebiet betrug das Übernachtungswachstum im Vergleich zum Vorjahreszeitraum rund 3,4 Prozent. Wolfgang Waldmüller warnt in diesem Zusammenhang vor zu viel Euphorie: „Ohne die Sondereffekte fällt das Wachstum klein aus und liegt im Bereich von einem Prozent. Wir tun ohnehin gut daran, uns von einer steten Wachstumserwartung zu lösen.“

Der Effekt der Berichtskreiserweiterung ist in allen Reiseregionen des Urlaubslandes zu spüren und sorgt vor allem entlang der Küste für ein deutliches Plus. So liegen die relativen Übernachtungszuwächse für die Regionen Fischland-Darß-Zingst (+16 Prozent), Usedom (+15,7 Prozent), Rügen/Hiddensee (+10,8 Prozent) und Mecklenburgische Ostseeküste (+10,4 Prozent) von Januar bis September 2019 zum Teil weit über dem Landesdurchschnitt (+10,1 Prozent). Auch für die Hansestädte Stralsund (+9,8 Prozent), Rostock (+8,8 Prozent) und Wismar (+8,5 Prozent) sowie für die Vier-Tore-Stadt Neubrandenburg (+8,7 Prozent) haben sich die Zahlen äußerst positiv entwickelt. Das Vorpommersche Festland (+4,0 Prozent), die Mecklenburgische Seenplatte/Schweiz (+3,5 Prozent) und Westmecklenburg (+2,1 Prozent) verzeichnen ebenfalls positive Zuwächse.

Von Januar bis September 2019 haben etwa 337.000 Gäste aus dem Ausland (-2,4 Prozent) rund 955.000 Übernachtungen (+3,4 Prozent) in Mecklenburg-Vorpommern verbracht. Diese kamen vor allem aus den Nachbarländern Polen (+43,2 Prozent), Dänemark (+3,2 Prozent), Österreich (+2,1 Prozent) und der Schweiz (+2,8 Prozent) sowie aus Schweden (1,9 Prozent). Der enorme Zuwachs polnischer Urlauber ist vermutlich überwiegend auf die Berichtskreiserweiterung zurückzuführen. Zudem traten im Vergleich zum Vorjahr rund 10,9 Prozent weniger Gäste aus den Niederlanden eine Reise ins Urlaubsland an, was insofern zu erwarten war, als dass das Jahr 2018 sehr erfolgreich für die Campingbranche verlief.

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