Gefahr durch Munitionsaltlasten

Schwerin – Der Bund und die Küstenländer haben in den vergangen beiden Jahren auf Veranlassung der Umweltministerkonferenz (UMK) untersucht, ob sich neben dem Risiko für menschliches Handeln auch ein Risiko für die Meeresumwelt der Nord- und Ostsee aufgrund fortschreitender Korrosion und aufgrund von Minensprengungen abzeichnet. Der Antrag für diese Untersuchung wurde federführend vom Umweltminister Mecklenburg-Vorpommerns Dr. Till Backhaus anlässlich der Herbst-UMK 2019 eingebracht und von der Bund/ Länder-Arbeitsgemeinschaft zum Schutz von Nord- und Ostsee (BLANO) unter dem Vorsitz von Mecklenburg-Vorpommern bearbeitet.

„Ich bin einerseits froh, dass wir jetzt ein Ergebnis haben, auf dessen Grundlage zukünftig auch Umweltbelange beim Umgang mit den Munitionsaltlasten einbezogen werden müssen. Andererseits entsetzt mich die neue Gesamtbewertung der BLANO, weil sie mehr denn je deutlich macht, dass die Uhr am Meeresboden tickt und Bund und Länder ihre Bemühungen zur Bergung und Entsorgung kritischer Munitionsaltlasten intensivieren müssen.“

Die Bund und Länder kommen in der BLANO zu der Gesamtbewertung, dass von der Munition in Nord- und Ostsee vielfältige Gefahren für Mensch und Umwelt ausgehen: „Das Risiko ergibt sich aus Art und Dichte der Kampfmittelbelastung und der Form der Nutzung der Meeresgebiete, Ufer und Strände. Aus jetzt vorliegenden Forschungsergebnissen ist abzuleiten, dass im Bereich munitionsbelasteter Meeresgebiete von einem erhöhten Gefährdungspotenzial für die Meeresumwelt auszugehen ist. Unter Berücksichtigung der erheblichen Munitionsmengen sowie der fortschreitenden Korrosion sind Beeinträchtigungen der Meeresumwelt einschließlich des marinen Nahrungsnetzes nicht mehr auszuschließen und müssen weiter untersucht werden. Vor dem Hintergrund der weiter zunehmenden Meeresnutzung besteht eine besondere Gefährdung für Personengruppen, die im marinen Bereich mit Grundberührung tätig sind. In der Konsequenz sollten Forschung und Technologieentwicklung verstärkt werden, um die von den Kampfmitteln tatsächlich ausgehenden Risiken rechtzeitig zu erfassen. Darüber hinaus besteht erkennbarer Bedarf an sachgerechten Optionen zur Vorsorge und zum Umgang bis hin zur Bergung und Umweltgerechten Entsorgung.“

„Bund und Länder müssen jetzt weitere Grundlagen für die Aufstellung eines geordneten Bergungsplans samt Finanzierung zunächst für die Ostsee schaffen, wie ich ihn in der Umweltministerkonferenz im Herbst 2019 schon skizziert hatte“, so Umweltminister Dr. Backhaus weiter. „Dabei setze ich auch auf die gesamtstaatliche Verantwortung des Bundes. Ferner darf dieses Thema nicht nur national betrachtet werden. Deshalb begrüße ich es, dass sich die Helsinki-Kommission zum Schutz der Ostsee unter deutschem Vorsitz des Bundesumwelt­ministeriums und auf Initiative der Umweltministerien Schleswig-Holsteins und Mecklenburg-Vorpommerns ebenfalls verstärkt mit diesem Thema befassen wird.“

Bund und Länder haben in Ihrem Bericht an die Umweltministerkonferenz (UMK) weitere für die zukünftige Problemlösung wichtige Eckpunkte dargestellt. Durch die Forschung und Technologieentwicklung der letzten Jahre konnten viele Erkenntnisse zum interdisziplinären Verständnis des Gesamtthemas gewonnen werden. Zusätzlich wurden neue analytische und technische Methoden entwickelt und stehen zur Erprobung und Anwendung bereit.

In diesem Kontext sollten nun wissenschaftliche Projekte zum Lagebild der räumlichen Verteilung der Munition und zu den Wirkungen der giftigen Bestandteile in der Meeresumwelt einschließlich des marinen Nahrungsnetzes den nächsten Schwerpunkt für die Wissenschaft bilden. Weiter sollten kampfmittelbezogene Daten aus dem behördlichen Bereich und aus Forschungsaktivitäten zur umfassenden Gefahrenanalyse, ggf. unter Einsatz künstlicher Intelligenz, zielgerichtet erhoben und ausgewertet werden. Aus der Entwicklung innovativer Produkte zur Detektion, Datenauswertung, der roboter-basierten Bergung und zur umweltgerechten Entsorgung gilt es nun, weitere ambitionierte Lösungen zur Marktreife weiterzuentwickeln.

Parallel zur wissenschaftlichen Forschung sollte laut des BLANO-Berichts die Entwicklung von Bergungs- und Entsorgungsverfahren verstärkt werden, um den Auswirkungen zunehmender Korrosion und abnehmender Handhabungssicherheit der Munition wirksam entgegentreten zu können. Zur notwendigen Steigerung der aktuell sehr begrenzten Entsorgungskapazitäten sollten Planung, Bau und Betrieb mobiler Entsorgungseinheiten auf See entwickelt werden.

Weiterer Grundlagenforschung bedürfen Fragen der Anreicherung und der Umsetzung sprengstofftypischer Verbindungen in Meeresorganismen und ihrer human- und ökotoxikologischen Bewertung. Zur Reduzierung schädlicher Umwelteinflüsse bei unvermeidbaren Sprengungen sollten alle Aspekte von Detonationen unter Wasser auf Habitate und Meeressäuger sowie die dafür notwendige technische Infrastruktur gezielt untersucht werden.

„Wir tragen Verantwortung für zukünftige Generationen, die die Ressourcen unserer Meere sicher und nachhaltig nutzen wollen. Dazu gehört auch der Fisch aus der Ostsee. Zum Glück sind in den Küstengewässern Mecklenburg-Vorpommerns keine großen Munitionsansammlungen in Form von Versenkungs­gebieten bekannt, aus denen Schadstoffe austreten könnten. Der hier gefangene Fisch kann ohne Bedenken verzehrt werden. Aber wir müssen wachsam sein, weil Meeresorganismen weit wandern und weil sich Schadstoffe in der Nahrungskette anreichern können,“ betont Umwelt- und Fischereiminister Dr. Backhaus. „Wir müssen jetzt alle gemeinsam in Bund und Ländern unter Einbeziehung von Wissenschaft und Industrie konsequent handeln und das Problem der Munitionsaltlasten im Meer lösen.“

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