Geisternetze bedrohen Meereslebewesen

Insel Rügen – Geisternetze machen rund 10 Prozent des weltweiten Meeresmülls aus und bedrohen die marine Artenvielfalt. Allein in Europa landen nach Schätzungen der Welternährungsorganisation (FAO) jährlich rund 25.000 Fischernetze bzw. Teile davon in den Meeren, davon 5.000 bis 10.000 in der Ostsee. Auf dem Geisternetz-Spitzentreffen des World Wide Fund for Nature (WWF) Deutschland in Sassnitz zeigte sich Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Dr. Till Backhaus bestürzt von den Ausmaßen dieser Entwicklung: „Die Problematik der Geisternetze war mir natürlich präsent, die tatsächliche Dimension hat mich zutiefst erschüttert. Wir müssen das ändern!“, sagte er selbstkritisch.

Backhaus rief die Politik auf EU- und Bundesebene dazu auf, die Müllbeseitigung in den Meeren und die umweltverträgliche Beseitigung von Geisternetze noch vehementer anzugehen. Auch das Engagement der Bürgerinnen und Bürger sei gefragt. Bisher würden Verluste den Behörden nur vereinzelt gemeldet. Die nachträgliche Zuordnung von geborgenen Netzen sei oft schwierig. Vor diesem Hintergrund lobte er die Arbeit des WWF Deutschland, der sich seit 2013 mit Bergungsaktionen, Recyclingmethoden für alte Netze oder durch die Beteiligung am ostseeweiten EU-Projekt MARELITT Baltic aktiv an Lösungen arbeitet, um den Eintrag von Netzen in die Ostsee einzudämmen.

An den deutschen Küsten habe die Fischerei eine lange Tradition, sagte Backhaus. Schleppnetze, Stellnetze und Reusen würden in der Ostsee zum Fang von Hering, Sprotte, Scholle, Flunder und Dorsch eingesetzt. Seit den 60er Jahren würden Fischernetze aber nicht mehr aus den leicht vergänglichen Naturstoffen Hanf, Sisal oder Leinen hergestellt, sondern aus synthetischen Stoffen wie Polypropylen, Polyethylen und Nylon (Polyamid).

Durch das Verhaken an Bodenhindernissen wie Felsen, Ankersteinen und Wracks, aber auch durch Kollisionen mit Sportbooten und unerwartete Unwetter, gingen Netze verloren, auch wenn die Verluste seit der Einführung des genauen GPS Systems zurück gegangen sind. Verlorene Netze verrotteten am Meeresgrund erst nach 400 bis 600 Jahren und würden damit zur Plastikverschmutzung unserer Meere beitragen. Netzfasern und chemische Zusätze gelangten als Mikroplastik in die Nahrungskette. An Wracks oder als „aufgestellte“ Stellnetze fischten sie als Geisternetze noch lange nach dem Verhaken sinnlos weiter. Neben Fischen würden Geisternetze auch für Robben, Schweinswale und Tauchvögel zur Falle, wenn diese den verhedderten Fischen nachjagen.

Theoretisch dürfe das Problem – vor allem in Europa – in dieser Dimension gar nicht geben, unterstrich Backhaus. Das internationale Übereinkommen MARPOL aus dem Jahr 1973, das wichtigste internationale Abkommen zur Vermeidung von Meeresverschmutzung durch Schiffe, enthalte in Anlage 5 ein generelles Verbot der Einleitung von Müll ins Meer. Dazu zählten auch betriebsbedingte Abfälle sowie Fanggeräte. Die EG-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL) sei für alle EU-Mitgliedsstaaten rechtlich bindend und das Fundament der Europäischen Meerespolitik.

Auch in Deutschland seien auf Basis der MSRL eine Vielzahl von Maßnahmen im Bereich Meeresmüll beschlossen und der Kommission gemeldet, berichtete Minister Backhaus. „Diese müssten jetzt von Bund, Ländern und Kommunen konsequent umgesetzt werden. Durch die 2011 ins Leben gerufene Initiative „Fishing for Litter“ vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) seien bislang mehr als 20 Tonnen Müll aus den Meeren geholt worden. In Mecklenburg-Vorpommern könnten solche Projekte über die Fischereiabgabe finanziell unterstützt werden. Nach jetzigem Stand gebe es auch für die Förderperiode 2021 bis 2026 entsprechende Fördermöglichkeiten aus dem Europäischen Meeres- und Fischereifonds.

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